2. Die „Scheide“


Die Straße Sandkuhle liegt in einer Senke zwischen der Kieler Straße und der Pohnsdorfer Straße. Zu beiden Straßen hin sichern Stützmauern die Höhenunterschiede ab.
Wie der Straßenname „Sandkuhle“ nahe legt, könnte es sich bei diesem Gebiet um eine ehemalige Kiesgrube handeln. Angesichts der Nähe zum Preetzer Kloster könnte das abgebaute Material für den Bau des Klosters verwendet worden sein [7].

Schon anläßlich der amtsgerichtlichen Anhörung am 13.07.1882 hatte der Zimmermeister Clement Eduard Christian Sellmer erklärt, „dem Besitzer des jetzt der Ehefrau Micheels geb Meyer gehörigen Grundstücks gegenüber die Zustandserhaltung der Scheide zwischen den beiderseitigen Grundstücken“ schuldig zu sein [4]. Als „Scheide“ wird hier der Grenzbereich zwischen zwei Grund­stücken bezeichnet.

Die oben genannte Verpflichtung zur „Zustandserhaltung der Scheide“ wurde nach der Zerlegung des Flurstücks 62 im Jahr 1918 auch in das Grundbuch des nördlichen Teils übernommen, obwohl die gemein­same Grenze zwischen den Flurstücken 62 und 63 im verbleibenden südlichen Teil lag [3].
Möglicherweise fehlte es in der Endphase des 1. Weltkriegs einfach an qualifiziertem Personal im Grundbuchamt, das die Zerlegung des Grundstücks hätte sauber abwickeln können. Der Krieg endete am 11.11.1918 mit dem Waffenstillstand von Compiègne in Frankreich. In Deutschland drohte eine Hungers- und Futternot, wie der Chronik der Dorf-Schule von Wakendorf [8] zu entnehmen ist.
Auch in der weiteren Folge wurde die Grunddienstbarkeit in den späteren Grundbüchern weiter­geführt, vermutlich weil niemand mehr ihre Bedeutung verstand. Bis auf den heutigen Tag findet sie sich in den Grundbüchern der Wohnungs-Eigentümer-Gemeinschaft Sandkuhle 1 [9].

Am 13.02.2019 erteilte das Katasteramt Kiel eine Freistellungsbescheinigung nach § 1026 BGB [10] (s. Abbildung 5.6), sodaß mit einer Verspätung von 101 Jahren eine Löschung der Grunddienst­barkeit für eine der Wohnungen der WEG erfolgen konnte.

Das benachbarte Flurstück 63 hat heute die Katasterbezeichnung 63/1 und die Adresse Kieler Straße 13 (auf der Katasterkarte aus dem Preetzer Häuserbuch (Abbildung 6.3) davon abweichend mit der Hausnummer 11 versehen). Zur Verbreitung der Kieler Straße wurde das Wohnhaus abgerissen und das Grundstück verkürzt. Heute wird dort ebenso wie auf den angrenzenden Grundstücken ein Autohandel betrieben.

Vom Flurstück 62 wurde zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Stück abgetrennt. Das verblei­bende Mittelstück hat heute die Katasterbezeichnung 62/1 und die Adresse Sandkuhle 1a, wie aus der Katasterzeichnung aus dem Jahr 2013 ersichtlich (s. Abbildung 6.4). Das abgetrennte südliche Stück wurde dem Grundstück Sandkuhle 5a zugeschlagen.

Bei der erwähnten „Scheide“ handelt es sich vermutlich um die Stützmauer, die die niedrig liegende Sandkuhle gegen die höher liegende Kieler Straße sichern soll.
Die Grenze zwischen der Sandkuhle 1a und Kieler Straße 13 ist schon seit längerem durch einige flache Schuppen bebaut (s. Abbildung 7.6). Die Stützwand ist nur an der linken Seite erkennbar. In der Katasterzeichnung von 2013 (s. Abbildung 6.4) ist diese Mauer allerdings nicht eingezeichnet.

Auch zwischen den Grundstücken Sandkuhle 1 und Kieler Straße 17 gibt es weiterhin eine 1.6 m bis 1.7 m hohe gemauerte Stütz­wand mit aufgesetzten Palisaden, die stark begrünt ist und deshalb nur als grüne Wand wahrnehmbar ist (s. Abbildung 7.4). Ebenso gibt es zwischen den Grundstücken Sandkuhle 1 und Sandkuhle 1a einen Höhen­unter­schied von ca 1.3 m (s. Abbildung 7.5). Beide Mauern gehören laut Katasterzeichnung von 2013 nicht zum Grundstück Sandkuhle 1.

Es stellt sich die Frage, ob im Grundbuch des Flurstücks 62/1 noch immer eine Verpflichtung zur Pflege dieser Stützmauer eingetragen ist. Laut mündlicher Auskunft des Katasteramts Kiel vom 18.01.2019 ist dies nicht der Fall.

Das Haus Kieler Straße 9 mußte der Erweiterung der Kieler Straße weichen. Heutzutage ist das Grundstück unbebaut. Der Höhenunterschied zwischen der Sandkuhle und der Kieler Straße wird durch eine Stützmauer direkt an der Kieler Straße gesichert, die auch in die Katasterkarte von 2013 eingezeichnet ist.

Eine Hausnummer 11 hat es bereits 1953 nicht gegeben. Auch die Gebäudeliste zur Kieler Straße im Eigentümerverzeichnis des Amtsgerichts Preetz von Friedrich Brügmann enthält dazu keinen Eintrag.

← Zurück       Weiter →


Fußnoten

[7] P. Pauselius: Geschichte und Geschichten rund um die Preetzer Straßen, Seite 265

[8] Bernhard Kalhoff: Chronik der Dorfschule in Wakendorf, Bericht über das Jahr 1918

[9] Der Eintrag in Abteilung II der Grundbücher lautet: „Ver­pflich­tung dem Ei­gen­tü­mer des jetzt der Ehe­frau Mi­cheels, geb. Mey­er, in Preetz ge­hö­ri­gen Grund­stücks ge­gen­über zur In­stand­hal­tung der Schei­de zwi­schen den bei­der­sei­ti­gen Grund­stü­cken (ein­ge­tra­gen am 16.12.1885 in Preetz Blatt 74 und von dort am 03.10.1983 über­tra­gen auf die Woh­nungs­grund­bü­cher von Preetz Blatt 4627 bis 4635 ).“

[10] § 1026 BGB: Teilung des dienenden Grundstücks:
Wird das belastete Grundstück geteilt, so werden, wenn die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen bestimmten Teil des belasteten Grundstücks beschränkt ist, die Teile, welche außerhalb des Bereichs der Ausübung liegen, von der Dienstbarkeit frei.